Hoheitsgrenzen: Analyse und Behandlung der Kantonsgrenzen der Waadt

Der folgende Artikel fasst meine Abschlussarbeit für die Erlangung des Diploms als Geomatiktechniker zusammen.

Einleitung

Als Hoheitsgrenzen werden die Landes- und Kantonsgrenzen sowie die Grenzen der Bezirke und Gemeinden bezeichnet. Jede Hoheitsgrenze muss gemäss den gültigen Grenzdefinitionen festgelegt sein – für die Landesgrenze beispielsweise gemäss den entsprechenden Staatsverträgen.

Der Verlauf der Hoheitsgrenzen sollte zwischen benachbarten Einheiten identisch sein. Das ist in der Regel bei den Gemeindegrenzen der Fall, die durch die kantonsinterne Vermessung behandelt wurden. Mit dem Aufkommen von Geoportalen, die das Kataster der ganzen Schweiz zusammenführen, sind jedoch auch Widersprüche und Inkonsistenzen zwischen den Daten zutage getreten.

Der Bund verlangt, dass sich die Hoheitsgrenzen zwischen den Einheiten decken. Er liefert einen Daten-Checker, der die Einhaltung dieser Vorgabe überprüft. Das bedeutet für die Kantone, dass sie Massnahmen zur Harmonisierung ihrer Hoheitsgrenzen einführen müssen.

Diese Harmonisierung sollte sich nicht nur auf eine einfache Zusammenlegung von Datenbanken beschränken, damit der Daten-Checker keine Fehler mehr entdeckt. Man muss auch historische Dokumente berücksichtigen wieVereinbarungen und Pläne, die wichtige Informationen enthalten können, wie z. B. die geometrischen Voraussetzungen.

In diesem Zusammenhang hat das Amt für Geoinformation des Kantons Waadt (OIT), das 145 km der Landesgrenzen und 477 km der Kantonsgrenzen verwaltet, ein besonderes Interesse an der Datenharmonisierung. Das nicht nur, um den rechtlichen Anforderungen zu genügen, sondern auch um die Arbeit der verschiedenen in der amtlichen Vermessung tätigen Akteure zu erleichtern (einfachere Nachforschungen zu Fragen der Hoheitsgrenzen, vereinfachte Kontrollen für den Kanton Waadt, bessere Kommunikation zwischen den Kantonen).

Die nachstehende Abbildung zeigt ein Beispiel einer Inkonsistenz, die dank dem WMS-Dienst «CadastralWebMap» von swisstopo aufgedeckt wurde. Dieses Beispiel bezieht sich auf die Grenzen zwischen den Kantonen Waadt und Genf. Die beiden Kantone haben die jeweilige Kantonsgrenze unterschiedlich festgelegt. Die Waadtländer Kantonsgrenze ist schwarz eingezeichnet, die Genfer Kantonsgrenze rot.

Einschränkungen

Als Hoheitsgrenzen werden die Aussengrenzen eines bestimmten Gebietes bezeichnet. Dabei kann es sich um Landes-, Kantons- oder Gemeindegrenzen handeln. Sie werden in Übereinstimmung mit den angrenzenden Staaten, Kantonen oder Gemeinden festgelegt, vermessen und unterhalten.

Der gegenwärtige offizielle Support ist der Grundbuchplan. In den Archiven findet man noch handschriftlich abgefasste Vereinbarungen. Diese Unterlagen ermöglichen es, die Entscheidungen und die geschlossenen Abkommen zu verstehen, z. B. die Entscheidung, einem natürlichen Element zu folgen (Gratlinie oder Bach) oder sich auf bebaute Elemente zu stützen (Mauer, Haus, Strasse). Der obere Teil der Hoheitsgrenzen können Hoheitsgrenzpunkte, aber auch Lagefixpunkte sein. Im Allgemeinen kennt man die Art der Materialisierung und möglicherweise auch die Lage und die Höhe. Man findet auch geometrische Bedingungen zu Vermessungsskizzen wie Baulinien, Schnittpunkte oder Projektionen.

Auszüge aus dem Anhang zum Abkommen vom 10.09.1957 zwischen der Schweiz und Frankreich über die Festlegung der Grenze im Genfersee

Analyse

Im Rahmen der Harmonisierung der Waadtländer Hoheitsgrenzen (Kantons- und Landesgrenze) hat das OIT eine Bestandsaufnahme gewünscht, um den noch ausstehenden Arbeitsaufwand für die Harmonisierung der Grenzen zu quantifizieren.

Praktische Fallbeispiele, auf die das OIT und die Ämter anderer Kantone gestossen sind, helfen, die Verfahren im Zusammenhang mit den Hoheitsgrenzen zu verstehen, und Kategorien von Änderungen, die die Grenzen betreffen, festzulegen:

Natürliche Entwicklung:

Wenn eine Hoheitsgrenze z. B. entlang eines Gewässers oder eines Gletschers verläuft, dessen natürliche Entwicklung eine Aktualisierung des Katasters erforderlich macht, muss/müssen die entsprechende(n) Hoheitsgrenze(n) neu festgelegt werden.

Künstliche Entwicklung:

Um gewisse Umgestaltungen zu ermöglichen, wie z. B. eine Autobahn oder Spezialbauten, können Hoheitsgrenzen geändert werden.

Ersterhebung:

Wenn ein Ersterhebungsmandat entlang einer Hoheitsgrenze ausgeführt werden soll, muss die Arbeit ordnungsgemäss erfolgen. Es ist sinnvoll, die Koordinaten der Hoheitsgrenzpunkte zu erheben, aber auch die in den ursprünglichen Plänen vorgesehenen Baulinien zu rekonstruieren.

Harmonisierung:

Zwei Verwalter von Katasterdaten möchten die Hoheitsgrenzen harmonisieren.

Auf Anregung der Kantone oder des Bundes kann eine Entscheidung zur Harmonisierung der Hoheitsgrenzen getroffen werden mit dem Ziel, die kleinen Inkonsistenzen endgültig zu beseitigen.

Wesentliche Abweichungen:

Wesentliche Abweichungen sind entweder auf einen Fehler oder auf eine Fehlinterpretation der Pläne zurückzuführen. Auf diese Abweichungen wird punktuell hingewiesen.

Fehlerarten

Im Rahmen einer mehrfachen Überprüfung der amtlichen Katasterdatenbank des Kantons Waadt (BDCO) wurden konkrete Beispiele zusammengetragen, die als Grundlage für die Erstellung einer Übersicht über die in dieser Arbeit ermittelten geometrischen Voraussetzungen dienten. Es scheint angebracht, für die Ermittlung dieser Voraussetzungen eine automatische Lösung anzubieten. Der CheckCH schliesslich wird am Ende der Kette eingesetzt. Er gewährleistet die Einheitlichkeit der Daten.

Vorgehen

Das Ziel dieser Arbeit bestand darin, ein Skript mithilfe der Software FME zu erstellen, mit dem Fluchtungsfehler der Grundstücksgrenzen im Vergleich zu einer Hoheitsgrenze mit Daten im INTERLIS-CH-Format ermittelt werden können.

Die Stellen, an denen die Hoheitsgrenze einer geraden Linie (Linientreue) zwischen zwei Hoheitsgrenzpunkten entspricht, müssen mithilfe der ursprünglichen Pläne und anderer Elemente (Marksteine, Archivmaterial usw.) ermittelt werden.

Eine neue Geometrie der Hoheitsgrenze muss manuell festgelegt werden unter Einhaltung der gemäss einer einheitlichen Definition ermittelten Baulinien.

Die Datenqualität und die Toleranzstufe müssen zwischen den Gebieten äquivalent sein.

Das FME-Skript wird die neue Definition der Hoheitsgrenze mit den bestehenden Daten der Verwalter vergleichen.

Die Punkte, die Unterschiede aufweisen, werden ermittelt und in ihre Fluchtungsfehler (längs- oder quergerichtet) eingeteilt. Danach werden sie gemäss den im Kapitel «Fehlerarten» beschriebenen geometrischen Bedingungen korrigiert. Für jeden Punkt wird ein neues Koordinatenpaar vorgeschlagen.

Die wesentlichen Abweichungen werden dank der Einführung des CheckCH im Skript ermittelt. Es wird jedoch keine Korrekturlösung vorgeschlagen. Es bedarf umfangreicher Recherchen, um herauszufinden, wie es zu den Abweichungen kam, und um eine Korrektur vornehmen zu können.

Schlussfolgerungen

Die Hoheitsgrenzen müssen mit den Grundstücksgrenzen übereinstimmen. Werden Hoheitsgrenzen korrigiert, müssen möglicherweise auch Grundstücksgrenzen angepasst werden, und das ist mit einem beträchtlichen Arbeitsaufwand verbunden. Danach müssen die technischen und gesetzlich geforderten Unterlagen zusammengetragen werden, um die eingeleiteten Schritte zu begründen und die betroffenen Eigentümer darüber zu unterrichten.

Das Vorgehen bei Änderungen von Hoheitsgrenzen aufgrund eines geänderten natürlichen Elements oder einer Ersterhebung ist bekannt und wird beim OIT regelmässig angewandt, z. B bei der Bearbeitung eines Loses einer Ersterhebung entlang eines Gebietes weist der Kanton Waadt den Auftragnehmer darauf hin, dass er sich in einem Bereich befindet, wo die Behandlung der Hoheitsgrenzen ansteht.

Die Erfahrung des OIT zeigt, dass man die Daten mit einem kritischen Auge betrachten muss. Schiefe Marksteine, die wieder aufgerichtet werden und dann unverändert in die BDCO aufgenommen werden, oder nicht eingehaltene Baulinien sind gute Beispiele in diesem Zusammenhang. Es müssen viele Kontrollen durchgeführt werden, damit gewährleistet werden kann, dass die Situation vor Ort mit den Angaben im Plan übereinstimmt.

Die Daten werden gegenwärtig mithilfe des Daten-Checkers des Bundes «CheckCH» überprüft. Dieses Instrument ermöglicht es, die Einheitlichkeit der Daten der verschiedenen Verwalter, aber auch unter den Verwaltern zu überprüfen. Es erstellt Fehlerlisten, anhand derer insbesondere die Stellen ermittelt werden können, die Datenenthalten, die nicht ganz deckungsgleich sind und dadurch «Lücken» oder «Überlagerungen» zwischen Gebieten bilden.

Dank der in dieser Arbeit vorgeschlagenen Lösung lässt sich eine ordnungsgemässe Datenharmonisierung vornehmen. Das entwickelte Skript ermöglicht es nicht nur, das Hauptziel zu erreichen, nämlich die gleichen Koordinaten zwischen zwei Gebieten zu haben, sondern es schlägt auch eine Korrektur der Fluchtungsfehler an Hoheitsgrenzen vor.   Durch die Integration der Ergebnisse des CheckCH in das Skript können sich die beiden Tests gegenseitig ergänzen. Die Ergebnisse des Skripts können direkt für die Kommunikation zwischen den Verwaltern verwendet werden. Die auf diese Weise erzielte Zeitersparnis ist beträchtlich im Vergleich zu den bisher angewandten manuellen Methoden.

Autor:

Marc Hauswirth
Dipl. Geomatiktechniker
Generaldirektion für Raumplanung und Wohnen Amt für Geoinformation
Av. de l’Université 5, CH – 1014 Lausanne

Thema vorgeschlagen vom:

Amt für Geoinformation
Av. de l’Université 5, CH – 1014 Lausanne