Erdgasversorgung Kreuzlingen
Die Technischen Betriebe Kreuzlingen sind eine Abteilung der Stadt. Als Querverbund-Unternehmen versorgen sie Bevölkerung, Gewerbe und Industrie mit Strom, Erdgas, Trinkwasser und Fernwärme. Als Direktimporteur des Erdgases hat Kreuzlingen eine spezielle Stellung. Mit jeder Erdgasrechnung fällt die entsprechende Verzollung an und in der Übergabestation sind Zähler und Schieber mit Zollplomben versehen. Das Erdgas in Kreuzlingen wird vornehmlich zum Heizen, für Prozesswärme und für Mobilität verwendet.
Problematik
Seit längerem bestehen Divergenzen von -2 bis -5% zwischen der Gasabnahme an der Grenze zu Konstanz und dem Gasverkauf an Kunden in Kreuzlingen und Umgebung.
Diese Lücke ist zu gross, um aus Gaslecks zu resultieren. Es wird vermutet, dass die Differenz durch den grossen Höhenunterschied zwischen Abnahmestelle und dem Zähler der Kunden entsteht.
Zwischen tiefstem und höchstem Punkt wurde bei 470 Höhenmetern (Hm) eine Druckreglergrenze (DRG) festgelegt. Darum wird bei Hausanschlüssen (HA), die über 470 Meter über Meer liegen, ein kleiner Druckregler vor dem Zähler installiert. Dadurch wird der entstandene Druckauftrieb in den Gasleitungen wieder reguliert.
Um eine druckangepasste Verrechnung umsetzen zu können, wurde Kreuzlingen in zwei Höhenzonen (HZ) mit jeweils einer mittleren Höhe von 435 Metern und 520 Metern über Meer eingeteilt.
Viele Grossabnehmer liegen in der unteren HZ. Diese sind mit einem Mengenumwerter (MUW) ausgestattet, welcher die Temperatur und den Eingangsdruck des Gases am Zähler ermittelt. Die Ablesung des Zählers erfolgt hier automatisiert und wöchentlich zu einem festen Zeitpunkt. Diese Vorgehensweise gewährleistet eine realitätsnahe Abrechnung des Verbrauchs. Dies ist allerdings nicht für Kleinkunden umzusetzen, da es zu kostenintensiv ist.
Aus diesem Grund hat man sich für die Ermittlung des Abrechnungsbrennwertes mit den oben aufgeführten Höhenmittelwerten entschieden. Hierzu wird der Einspeisebrennwert benötigt. Dieser wird wiederum monatlich aus Konstanz mitgeteilt, das Zweijahresmittel dieses Wertes fliesst in die Berechnung ein. Das Zählerablesen der Kleinkundenzähler erfolgt halbjährlich und an unterschiedlichen Tagen.
In die Berechnung der Zustandszahl, von der die Mengenermittlung abhängig ist, wird zudem die Gastemperatur mit einbezogen. Dieser Wert ist konstant bei 288.15 Kelvin festgelegt. Eine Temperaturerhöhung ist z. B. in Folge eines längeren Transportweges allerdings nicht vollständig auszuschliessen.
Einkauf
Die gelieferte Energie wird von Gaszählern in den Übergabestellen, in Betriebskubikmeter (Bm³) gemessen. Durch den MUW wird die Gasmenge unter Berücksichtigung des Gasdrucks, der Gastemperatur und des Umgebungsdrucks, von Bm³ in Normkubikmeter (Nm³) ermittelt. Über den Prozess-Gaschromatograph (PGC), der den Brennwert ermittelt, wird aus der Gasmenge in Nm³ die Menge in kWh (thermische Energie) errechnet. Die zu verrechnende, abgegebene thermische Energie wird dann durch Multiplikation der Nm³ mit dem mittleren monatlichen Einspeisebrennwert errechnet.
Projektrestriktion
Die Analyse beschränkt sich auf die verbrauchte Gasmenge der „Kleinkunden“. Da bei den Vertragskunden / Grosskunden die Berechnungsfaktoren direkt über einen MUW (geeicht) ermittelt und ohne Anpassungen weiter gegeben werden. Die meisten Kleinkunden beziehen ihr Gas über eine Gasniederdruckleitung, darum wird das 5bar-Netz ebenfalls aus der Analyse ausgeschlossen.
Weiter ausgeschlossen werden der Einspeisebrennwert, Kompressibilitätszahl, Normdruck, Normtemperatur, Betriebsdruck, MUW, der PGC, Leitungsdruckmesser, -länge und -material. Diese Werte sind z. T. genormt, geeicht oder werden schon anderweitig überprüft, in die Berechnungen mit eingebracht.
Relevanten Faktoren
Zu den überprüfbaren Faktoren gehören die „Höhe“ für die Ermittlung des Umgebungsdrucks massgebend ist. Aus der Zustandszahl ergeben sich die „Gastemperatur“, der „Luftdruck“ und der „Einspeisedruck“. Zudem beinhaltet der Abrechnungsbrennwert den „Einspeisebrennwert“ sowie die vier zuvor genannten Werte. Darum ist dieser Wert ebenfalls genauer zu betrachtet.
Die relevanten Berechnungsfaktoren sind ebenfalls aus dem „Merkblatt Erdgasabrechnung“, Ausgabe 2018 V1, Seite 2 und 5 ersichtlich.
Mehrwertgenerierung
Durch das Zusammenbringen von bisher voneinander unabhängigen Informationen soll ein Mehrwert generiert werden. So auch bei der Abrechnungsbrennwertanalyse.
Hierfür hat die Projektleiterin im Internet auf folgenden Seiten recherchiert:
- https://geoinformation.tg.ch/
- https://map.geo.admin.ch/
- https://www.geocat.ch/
- https://www.meteoschweiz.admin.ch/
Da der Umgebungsdruck höhenabhängig ist, wird nach Höheninformationen gesucht.
Welche die Rasterdaten des Digitalen Terrainmodells (DTM) flächendeckend beinhalten.
Die Idee, ein Kartenwerk für den Luftdruck mit einzubinden, lässt sich nicht umsetzen, da es hierzu keine Daten für das Gebiet „Kreuzlingen“ gibt.
Meteoswiss.ch antwortet auf die E-Mailanfrage: „Gitterdaten zum Luftdruck gibt es generell keine.“
Analyse
Die Gasabrechnung wird, wie schon erwähnt, in kWh abgerechnet. Abgelesen wird der Verbrauch in Bm³. Um zum Einheitswert „kWh“ zu gelangen, wird ein Abrechnungsbrennwert definiert. Dieser beinhaltet pauschalisierte Werte, die in der Analyse hinterfragt werden. Aus diesem Grund hat sich die Projektleiterin entschieden, den „Rohwert“ Bm³ zu analysieren.
GIS und IS-E
Nach der Datensichtung werden die IS-E-Verbrauchsdaten und die GIS-Daten im Excel 2016 über das Attribut „Adresse“ zusammengeführt. Für eine eindeutige Gebäudezuordnung würde sich der eindeutige Gebäudeidentifikator „EGID“ besser eigenen. Dieser wird bei den Technischen Betrieben im IS-E nicht geführt.
Als Datenbehälter dient eine mit dem Programm ArcCatalog von ESRI erstellte Filegeodatabase (FGDB).
Die FGDB wird in ArcGIS Pro eingelesen, das DTM wird hinzugefügt und die Höheninformationen daraus, mit dem Werkzeug aus der SpatialAnalystToolbox „Werte auf Punkt übertragen“ auf die Gas-HA übergeben. Die Verbrauchsmenge Gas-Zähler wird hinzugefügt und ggf. auf dem HA summiert.
Schwerpunktberechnungen Anzahl
Im ArcGIS Pro wird über das SpatialanalystTool eine Richtungsverteilung die Anzahlmenge der Gas-HA vorgenommen. Die daraus generierte Schwerpunkthöhe beträgt 416.61 m. ü. M..
Um die Vorgehensweise zu kontrollieren, wurde ein zusätzlicher Schwerpunkt über eine gepufferte Fläche, über die Anzahl der HA ermittelt. Dieser Höhenwert beträgt 416.33 m. ü. M..
Schwerpunktberechnung Verbrauch
Der Verbrauch wird über eine rasterisierte Nachbarschaftsanalyse, über die Kerndichte „Verbrauch“ visualisiert. Hierdurch ist kein Schwerpunkt ermittelbar.
Anschliessend wird die Information des Verbrauchs auf die einzelnen Parzellen übertragen. Dies sieht zwar eindrücklich aus, allerdings drohen die Flächengrössen der Liegenschaften das Ergebnis zu verfälschen.
Daraufhin wird eine Selektion der 500 HA mit dem meisten Verbrauch selektiert und ein Puffer gebildet. Mit dieser Massnahme werden 75% des Gasverbrauches abgedeckt. Aus dieser Fläche ergibt sich ein Schwerpunktwert mit einer Höhe von 420.07 m. ü. M..
Für das Gebiet Bätershausen, Lengwil, Neuwilen und Siegershausen (HZ 2) wird nur eine Schwerpunktanalyse über die Anzahl der Gas-HA vorgenommen. Da die Höhe dieser Schwerpunktermittlung mit 520.43 m. ü. M. sehr gut mit dem Mittelwert aus der Höhenzone 2 (HZ 2) übereinstimmt, wird kein zusätzlicher Wert in die Analyse mit einfliessen.
Es wird beschlossen die Höhenwerte 415 m, 420 m und 520 m. ü. M. für die zukünftigen Berechnungsvarianten heranzuziehen.
Einspeisebrennwert
Der Einspeisebrennwert, der für die Rechnungsstellung der TBK herangezogen wird, beträgt 11.268. Dieser Wert wird mittels einer mittleren Mengengewichtung überprüft und der daraus resultierende Wert von 11.270 zusätzlich in die Analyse mit übernommen.
Druckauftrieb
Da vor 15 Jahren die DRG von 450 m auf 470 m. ü. M. angehoben wurde, wird der Verbrauch im Bezug zum Druckauftrieb in diesem Bereich ermittelt. Hierfür wird ein Druckauftrieb von 0,48 mbar auf 10 Hm ab 400 m. ü. M. angenommen.
Der Druckauftrieb wirkt sich nur sehr gering mit +0.01/ +0.02% auf die Berechnung aus.
Excel
Der Wert der Gaseinkaufsmenge von Jahr 2018 wird, um den Vergleich zu erleichtern, auf 100% gesetzt.
Die Werte des Ist-Verbrauchs, der Abrechnungsbrennwert aus dem Jahr 2017 (der Abrechnungsbrennwert wurde im Jahr 2018 um rund 1% angehoben) der Druckauftrieb des Versorgungsnetzes, die neu ermittelten mittleren Höhen von 415m u. 420m sowie die effektiven Meereshöhen der Gas-HA werden mit dem Einspeisebrennwert von 11.270 analysiert.
Die Haupterkenntnis daraus, wäre der Abrechnungsbrennwert 2018 nicht erhöht worden, würde die Verkaufsmenge in kWh um 0.62% unterhalb der eingekauften Gasmenge liegen. Zudem zeigt sich, dass die Mengenresultate bei Berechnungen mit den mittleren Höhen 415m, 420m oder mit der tatsächlichen Meereshöhe, nur minimal – im Bereich von 0.2% – gegenüber der Einkaufsmenge variieren. Dadurch wird bewiesen, dass die neu ermittelten mittleren Höhen mit den örtlichen Gegebenheiten übereinstimmen.
Mit Varianten, denen der Brennwert von 11.268 zugrunde liegt, verringern sich alle Werte um 0.02%, dies ist kontraproduktiv. Sie wird trotzdem für weitere Interpretationen beibehalten.
Weitere Überlegungen werden angestellt: Die Meereshöhe um „1 m zu reduzieren“, da die Gasleitungen meist 1 m unterhalb der Oberfläche liegen. Sowie den „Temperaturanstieg“, der prozentual zum Druckauftrieb im Verhältnis steht, mit heranzuziehen.
Die Einspeisetemperatur aus dem Einkauf, wird hierfür grob mengengewichtet gemittelt. Daraus resultiert eine Temperatur von ca. 11°C. Diese wird so einbezogen, dass sie im Verhältnis zur Meereshöhe und zum Gasdruck ansteigt.
Die Analyse zeigt nun, dass es sich lohnt den Wert „Gastemperatur“ genauer zu betrachten. Die ermittelte Gasmenge übersteigt zum ersten Mal die Einkaufsmenge um 1%.
Auswertung
Die Auswertung findet nun in zwei Varianten statt. In der ersten wird der Abrechungszeitraum für den Einkauf vom 01.01.-31.12.2018 als 100%-Wert herangezogen.
In der zweiten Variante wird der Abrechungszeitraum für den Einkauf vom 15.12.2017-14.12.2018 als 100%-Wert herangesetzt.
Diese Zeitraumverschiebung bewirkt, dass dem Einkauf 770.250 kWh der Gasmenge hinzuzufügen sind. Daraus lässt sich schliessen, dass der Dezember im Jahr 2018 milder war als im Jahr 2017. Das hat zur Folge, dass alle ermittelten Verkaufsmengen – ausser die unter Einbezug der Temperatur – unter die 100%-Einkaufsmarke abfallen.
Erkenntnisse
Es ist verzerrend, unterschiedliche Zeiträume zu vergleichen, das Wetter nicht vorhersehbar ist. Dadurch wird der Faktor „Zeitraum“ zu einem unberechenbaren Faktor. Dies kann man nur beheben, indem alle Zählerwerte zum selben Zeitpunkt ausliest. Mit dem Projekt Smart Meter wird es in sieben Jahren möglich sein.
Die DRG spielt in der Abrechnungsdifferenz nur eine sehr untergeordnete Rolle. Dieselbige wirkt sich im Höhenbereich von 450 m – 460 m. ü. M. mit +0,01% auf den Verbrauch in kWh aus.
Durch die GIS-Analyse bewiesen, dass die Mehrheit der Verbraucher und auch die Mehrheit der verbrauchten Gasmengen in Kreuzlingen im tiefergelegenen Bereich zwischen ca. 397 m und 435 m wohnen. Die mittlere Höhe der HZ 1 müsste im Bereich von 415 – 420 m. ü. M. definiert sein, anstatt wie bisher mit 435m.
Das Berechnungssystem der HZ funktioniert nur, wenn sich das Gas-Versorgungsgebiet auf einem Höhenniveau befindet. Dies ist in Kreuzlingen mit einem Höhenunterschied von ca. 90 Hm nicht gegeben.
Um für alle HA eine gleichwertige Mengenermittlung umsetzen zu können, muss der Faktor „Meereshöhe“ und „Gastemperatur“ für jeden Hausanschluss mit in die Berechnung der thermischen Energie (kWh) mit einfliessen.
Das Geoinformationssystem ist im Hinblick auf Flächenanalysen ein sehr interessantes Werkzeug. Es ist auch fantastisch, welche Erkenntnisse gewonnen werden können, wenn man scheinbar unabhängige Informationen zusammenbringt.
Die dritte, vierte und auch fünfte Dimension kann kommen …
Tanja Blum
Teamleiterin GIS / NIS / Planung
Geomatiktechnikerin mit eigen. Fähigkeitsausweis
Technische Betriebe Kreuzlingen